Wie Sprache und Bilder unsere Wahrnehmung beeinflussen

Mathias Günther

Sprache und angewandte Wortwahl sind entscheidend für auf Berichten fußende Beurteilungen von Ereignissen und Zusammenhängen. Das gilt gerade auch für die mediale Berichterstattung über politische Themen und die daraus resultierende Bewusstseinsbildung.

So lautet zumindest die Grundthese des am Berliner Tikvah- Instituts arbeitenden jungen Antisemitismusforschers Jonas Hessenauer. Im Rahmen der Hildburghäuser „Allerweltsgespräche“ stellte er Passagen seines in Kürze im Akademieverlag erscheinenden Buches zum Nahostkonflikt vor.*

In seinem Vortrag lieferte Hessenauer erst einen kurzen Abriss zur israelisch- palästinensischen Konfliktgeschichte seit 1948. Bereits nach der Gründung des Staates Israel und der entschiedenen Ablehnung des Teilungsplanes der Vereinten Nationen durch die Arabische Liga führten die unterschiedlichen politischen Interessen zum ersten arabisch- israelischen Krieg, welchen die arabischen Angreifer verloren. Seither gab es mehrere kriegerische Auseinandersetzungen, immer wieder eine Vielzahl von Terrorakten und bewaffneten Konflikten. Die Situation verschärfte sich, nachdem die islamistische Hamas 2006 im Gazastreifen innerpalästinensische Wahlen gewann und anschließend die konkurrierende Fatah gewaltsam ausschaltete.

An der Brisanz der Vorgänge in der Region konnten auch die 2020 zwischen Israel, den vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain geschlossenen Übereinkünften nicht grundsätzlich etwas ändern. Bis heute dauern heftige Kämpfe in und um Gaza an, nachdem die terroristische Hamas ihr erklärtes Ziel, die Vernichtung des Staates Israel, mit dem blutigen Massaker vom 7. Oktober 2023 nochmals untermauerte.

Hessenauer konzentrierte sich in seinen Ausführungen dann vor allem auf die Darstellung des Konflikts in den überregionalen deutschen Medien. Ausgehend von Forschungsergebnissen von Monika Schwarz- Friesel belegte er an Beispielen, dass die „deutsche Staatsraison“, bestehend in der bedingungslosen Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel durch die Bundesrepublik, keineswegs vor der Anwendung antisemitischer Stereotype in der deutschen Öffentlichkeit schützt.

So seien in allen Leitmedien auch Analogien aus dem Nationalsozialismus zu finden gewesen. So wäre der Zionismus in konkreten Fällen mit einer „Blut und Boden“- Politik gleichgesetzt und Israel als vorgeblicher Aggressor dargestellt worden, während Terroristen teilweise zu „palästinensischen Widerstandskämpfern“ heroisiert und Araber ausschließlich zu Opfern der Kriegshandlungen stilisiert würden. Auffällig sei auch, dass sich „Headlines“, also die Überschriften von Artikeln in gedruckten Medien oft stark unterschieden von den eigentlichen Texten. Auch erführe der beduinische Bevölkerungsteil oft eine exotisierende Beschreibung oder bliebe in Schilderungen der Konfliktlage ungenannt. Höchst selten würde noch der innerpalästinensische Konflikt zwischen der einen islamistischen Gottesstaat anstrebenden Hamas und der säkulär orientierten Fatah thematisiert. Auch werde bei historischen Verweisen kaum daran erinnert, dass 1967 Jordanien und Ägypten palästinensische Gebiete annektiert hatten und im Rahmen der 1948 datierten „Nakba“, aus Sicht der arabischen Kräfte die vermeintliche Urkatastrophe des Konflikts, 800 000 Juden aus arabischen Ländern fliehen mussten.

Nach dem 7. Oktober 2023 habe es auf Grund des Entsetzens über den Hamas- Terror eine kurzfristige mediale Solidarisierung mit Israel gegeben.

Eine optimistische Perspektive vermochte Hessenauer für den Nahen Osten in den Medien nicht festzustellen. Offenbar bleibe die Hamas unversöhnlich und ihr innerpalästinensischer Gegenspieler Fatah werde schwächer. Israel werde unter Netanjahu weiterhin auf militärische Härte setzen und Netanjahu den Krieg gegen Hamas und die libanesische Hisbollah ausnutzen, um innenpolitisch zu punkten. Unterstützt werde er dabei wohl von US- Präsident Trump, beide Politiker verfolgen autoritäre Ziele. Eine Zweistaatenlösung, welche auch Hessenauer für den einzig möglichen Weg zur Beendigung des jahrzehntelangen heftigen Konflikts sieht, liegt damit in weiter Ferne.

 

Fotos: Mathias Günther

 

*Jonas Hessenauer/ Lukas Uwira: „Bewaffnete Anwohner“ gegen „israelische Sonderkommandos“. Eine qualitative Studie zur deutschen Israelberichterstattung.