Nicht märchenhaft, sondern frauenfeindlich und grausam: Die Zeit der Hexenverfolgung
Hexen werden heutzutage eher als amüsante Fabelwesen verstanden. Dass der Begriff „Hexe“ aber einen ernsten und sogar grausamen historischen Hintergrund besitzt, war Thema der jüngsten Hildburghäuser „Allerweltsgespräche“. Stadtführer Thomas Stäblein schlug den Bogen von der Antike bis in die Neuzeit und stieg dabei mit historischen „Hexendefinitionen“ ein. Zur Hexe gemacht wurden auf diese Weise Frauen, denen ein Pakt mit dem Teufel, also eine üble Motivation unterstellt wurde. Realer Hintergrund des Hexenwahns war, dass man mit starken Frauen in Zeiten des Aberglaubens und mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnis nicht klarkam: Als Jeanne d`Arc ihren militärischen Sieg errang, erklärten die unterlegenen Engländer sie kurzerhand zur „Hexe“ und verbrannten sie. Es durfte nicht sein, was nicht sein sollte: die erfolgreiche Führung durch eine „Frau in Hosen“.
Mehr Glück hatte Hildegard von Bingen: die Popularität ihrer Heilerfolge und ihr Glaube an „Stimmen von oben“ wurden publik. Ihrem Bischof gefiel dies gar nicht und er warf ihr daraufhin Hexerei vor. Erst der Papst sprach sie von der gefährlichen Anklage frei.
Das juristische Vorgehen gegen vermeintliche Hexerei war grausam: verdächtigte Frauen wurden bei der „Wasserprobe“ gefesselt und drohten zu ertrinken. Überstanden sie die Probe, galt dies als Beweis ihrer Hexenkräfte und die Frau starb nicht minder qualvoll auf dem Scheiterhaufen. Hexenverhöre endeten oft unter bestialischer Folter. 60 000 Todesopfer forderte diese barbarische „Rechtsprechung“ innerhalb von drei Jahrhunderten in Europa, 35 000 davon allein in Deutschland. Besonders zweifelhafte Berühmtheit erlangte das 1486 erstmals erschienene Buch „Malleus Maleficarum: der „Hexenhammer“ des deutschen Theologen und Inquisitors Heinrich Kramer. Als Mitglied des Dominikanerordens, der „Hunde des Herrn“, führte er selbst 48 Hexenprozesse. Das Machwerk, ein Sammelsurium aus potenziertem Frauenhass, Festlegungen zu vermeintlichem Hexenwerk und Androhungen von Folter, erfuhr bis ins 17. Jahrhundert 29 Auflagen mit 30 000 Exemplaren. Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks half bei der Verbreitung. Selbst Luther war nicht frei vom Aberglauben und befürwortete 1526 in einer Predigt die Todesstrafe für Hexen.
Es verwundert daher nicht, dass auch in populäre Märchenerzählungen und Theaterstücke die Hexenfigur als Sinnbild für das pure Böse, welches mit drastischen Mitteln bis zur physischen Vernichtung zu bekämpfen sei, Eingang fand.
Insbesondere vor dem Hintergrund des 30- jährigen Krieges blühte auch in Südthüringen der Hexenglaube als Erklärungsversuch für scheinbare Phänomene wie Pest, Ernteausfall, Hunger und Gefahren durch bewaffnete Haufen. 1627 wurde unter anderem so die wohlhabende Hildburghäuserin Margarethe Vogt durch Folter zum Geständnis der Hexerei gezwungen und auf dem Galgenhügel umgebracht. Männer, deren Frauen als Hexen verurteilt wurden, verloren anschließend auch ihr gesamtes Hab und Gut.
Erst 1782 wurde in der Schweiz die letzte Hinrichtung wegen Hexerei vollzogen. Das Ende von Irrationalismus und Barbarei war damit aber noch nicht erreicht: So versuchte der ohnehin dem Okkulten zugeneigte SS- Chef Himmler den nazistischen Rassenwahn der Judenvernichtung zusätzlich mit der Behauptung zu legitimieren, dass es sich beim mittelalterlichen Hexentum um Elemente einer „urgermanischen Religion“ und bei Hexen um deren Priesterinnen gehandelt habe. Die Hexenverfolgung ab 1500 wäre demzufolge den Juden anzulasten.
Noch um 1950 verfolgten Einwohner in der Lüneburger Heide vermeintliche Hexen.
Dagegen nimmt sich der Fall einer Anklage gegen eine Frau in England wegen vorgetäuschter Hexerei eher grotesk aus. Dieser Prozess fand 1944 auf der Grundlage des immer noch gültigen „Witchcraft acts“ von 1735 statt.
Heute betreiben 135 000 Menschen weltweit wieder eine Art Hexenkult. Diese so genannten „Neuhexen“ sehen sich aber eher in der Tradition feministischer Zusammenhänge. Ein Slogan dieser Bewegung lautete nach 1968 „Zittert, zittert. Die Hexen sind wieder da!“
In Zeiten ansteigender antiaufklärerischer Irrationalität und der Verbreitung von „Fakenews“ womöglich ein notwendiger gesellschaftlicher Impuls.
Foto: Mathias Günther (Zeitgenössische Ausgabe des "Hexenhammers")