Die vielen Gesichter von Thüringens erstem „englischen Park“

Mathias Günther

Im 700. Jahr ihres erwiesenen Bestehens hält die Kreisstadt Hildburghausen ausgiebig historische Rückschau. Einer Möglichkeit bot sich dazu am vergangenen Dienstag. Im Rahmen der „Allerweltsgespräche“ der Hildburghäuser LINKEN präsentierte Stadtführer Thomas Stäblein in den Räumen der Galerie „HibuArt“ diesmal die Geschichte des Hildburghäuser Stadtparks. Neben historischen Abbildungen wusste er auch unzählige Anekdoten zum Thema einzuflechten.

Sein Vortrag, welchen er auch ausdrücklich als Würdigung seines Freundes Olaf Jaenicke versteht, schlug den großen geschichtlichen Bogen der Gartengestaltung.

Seit 5000 Jahren legen Menschen Areale wie die „hängenden Gärten von Babylon“ an. Mit dem Untergang des weströmischen Reiches verschwand solche Opulenz erst einmal aus Europa, um nach kriegerischen Auseinandersetzungen Spaniens mit den Mauren in Form von Klöstergärten wieder aufzuerstehen. Es folgten Burggärten und mit der Renaissance auch eine gestalterische Rückbesinnung auf das Altertum. Vorbilder für unzählige jetzt entstehende Anlagen waren Bramantes Terassengarten mit integriertem Haus und natürlich Versailles, das Schloss des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. Geometrische Formen und spektakuläre Wasserelemente kennzeichneten diese Form des „französischen Gartens“. Quasi als Gegenentwurf entwickelte William Kent den englischen Naturgarten, in welchem Licht und Farbe eine entscheidende Rolle spielten.

Der heutige Schloßpark in Hildburghausen blieb vom ehemaligen, zuerst in französischem Stil und später zum englischen Garten umgebauten Schloßgarten erhalten. Wahrscheinlich wurde er noch vor dem heute wesentlich häufiger genannten „Wörlitzer Park“begründet . 1685 bis 1694 ließ der zeitweilig in holländischen Diensten stehende Herzog Ernst in Anlehnung an dortige Gestaltungsvorstellungen von Wanderarbeitern einen Kanal um den höfischen „Lustgarten“ anlegen. Für die adligen Standesbedürfnisse war nichts zu teuer: Pomeranzen und Zitronenbäume wurden aus Italien importiert und ein Tiergarten eingerichtet.1720 wurde die Orangerie zum Schloss gebaut und 1721 ergänzte das Fecht- und Ballhaus den Komplex blaublütiger Vergnügungsmöglichkeiten. Bis 1730 folgten im Gartengelände ein Schneckenberg zur Aufzucht von Speisetieren, ein Strauchtheater, ein Teich und Fontänen, neun nach einer französischen Fabel entworfene Figuren, eine Zugbrücke zum Residenzschloss sowie, auf einem Sechstel der Gesamtfläche, der „Irrgarten“.

Der Hof verschuldete sich maßlos. Herzogin Charlotte musste deshalb zwei Jahre warten, bis ihr 1790 gestellter Antrag auf Umbau des Areals in einen englischen Garten von der kaiserlichen Debitkommission Aussicht auf Erfolg hatte. Zum ab 1800 stattfindenden Umbau gehörte auch der Abriss des Zauns. Der Garten sollte nun auch allgemein zugänglich sein. 1815 wurde das heute noch erhaltene „Luisen- Denkmal“ gesetzt und 1829 ließ sich erstmals im Umfeld der Residenz ein italienisches Lokal nieder. Für die anhaltenden blaublütigen Marotten spricht der Versuch, um 1827 eine Ananaszucht auf Hildburghäuser Boden einzurichten.

Die Militarisierung des Gartengeländes begann 1867. Wesentliche Barockelemente wurden nun verkauft, die Residenz hingegen Kaserne und der Schloßpark zum Exerzierplatz. Das dabei störende Luisendenkmal wurde einfach verschoben. Auch im Kaiserreich und in Nazideutschland blieb das frühere Schloss Kaserne, bis es im Frühjahr 1945 durch Kriegshandlungen in Flammen aufging. Der Schloßpark verwilderte in der Folge.

Erst in der DDR verschwand die militärische Strukturierung des Geländes. In den sechziger Jahren wurde „die hygenische Bedeutung des Friedensparks als Erholungsstätte“ (Thüringer Heimatkalender) betont, das Luisendenkmal erhielt seinen angestammten Platz zurück. Nachdem bereits 1952 ein Bootshaus eingerichtet wurde, folgten eine Bühne und Gastronomie. Konzerte und die „Feste des Waldes und der Jagd“ waren bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre an der Tagesordnung. Nach 1990 wurde die für Veranstaltungen notwendige Infrastruktur abgerissen. Seither harrt der Park im Zentrum der Stadt einer grundsätzlichen Entscheidung über seine Gestaltung. Künftige Nutzungen müssen dabei mit Bedingungen des Hochwasserschutzes in Einklang gebracht werden, der Stadtpark ist häufig auch ein Gelände der „nassen Füße“.

Ein eigenes Kapitel schreibt zudem der den Park umgebende Kanal. Schon 1890 machte sich der Hildburghäuser Faschingsverein über die dauerhafte Problematik der Verschlammung öffentlich lustig. 1935 entschlämmten zwangsweise eingesetzte Reichsarbeitsdienstler zum Hungerlohn das künstliche Gewässer. Mit schwerer Technik rückte man hingegen 1972 dem Morast zu Leibe.

Auch gegenwärtig müsste der Kanal eine vergleichbare Pflegemaßnahme erfahren, wie in der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion deutlich wurde. Stäblein nannte die im Raum stehenden Zahl von bis zu einer Million Euro geschätzter Kosten für eine heutige Entschlämmung.

Diesen Herausforderungen müssen sich Stadtrat und Verwaltung nun in absehbarer Zeit stellen. Denn allen Vorwürfen des Vandalismus zum Trotz: als Erholungsstätte wird der Park auch heute rege von den Hildburghäusern genutzt.

 

Fotos: Elke Gaasenbeek, Steffen Harzer