Die Silberlocke und der Silberstreif: Die Linke wanderte mit Bodo Ramelow
Besser konnte der Tag nicht beginnen:
In Masserberg wartete der Samstagvormittag mit strahlendem Sonnenschein, Altschnee und mäßigem Frost auf, als auf dem Leierkasten der Hellinger Osterscheune eine Wandergruppe der Linken zünftig mit dem Rennsteiglied begrüßt wurde. Mittendrin: Bodo Ramelow, Ministerpräsident a.D., zertifizierter Leierkastenbediener und- geht es nach seiner Partei- auch Bundestagsabgeordneter in spe. Denn Ramelow, der Volksnahe, ist eine der drei „Silberlocken“, mit welchen die Linke wieder in den Bundestag einziehen will.
Zwar wollte er eigentlich längst kürzertreten, um zum Beispiel Zeit für Enkel Vincent zu haben, aber dann kamen die vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag dazwischen. So sei bei Linke- Vorsitzenden Jan van Aken die Idee aufgekommen, mit den drei Granden der Partei Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow den Kampf um aussichtsreiche Direktwahlkreise zu führen. Ramelow willigte schließlich ein, wie er am Samstag gewohnt unterhaltsam schilderte. Einzige Bedingung: Jemand müsse dem Gysi zuvor klar machen, „dass es ja eigentlich Gregors Idee war, die Silberlocken ins Rennen zu schicken“. Ein Rennen, in dem auch der Südthüringer Bundestagskandidat der Linken, Philipp Weltzien, ordentlich mitziehen will. Denn Herausforderungen für den künftigen Bundestag gibt es in Thüringen und der ganzen Republik hinreichend. Das wurde den Teilnehmern auch während der von Wanderleiter Bastian Hintz geführten sechseinhalb Kilometer langen Runde deutlich.
Hintz erläuterte die Geschichte des Kurortes, verwies auf markante Gebäude, welche gut Betuchte sich einst als Feriendomizile bauen ließen. Er schlug den unterhaltsamen Bogen von der Entwicklung der Augenheilkunde und Glasaugenproduktion bis hin zu den Masserberger Kurkliniken und deren Finanzbedarf. Das Didgeridoo, auf welchem er den Wanderern am Dreiherrenstein ein Ständchen brachte, wurde von einem einheimischen Glasbläser gefertigt. An der Rennsteigwarte erinnerte er auch an deren Entwicklung.
Das selbst entspannte Wanderungen wie diese nicht im politikfreien Raum stattfinden, zeigte sich spätestens beim Blick auf das Schwarzatal. Sowohl die Anlagen von Talsperre und Pumpspeicherwerk Goldistahl als auch die Verläufe der ICE- Trasse und der Starkstromversorgungsleitung ließen Ramelow daran erinnern, wie er als Landesvater versucht hatte, Thüringer Landesinteressen gegen oft bräsige Münchner Machtpolitik zu schützen. Die Tatsache, das Goldisthal zumindest in bestimmten Situationen für die bayerische Energieversorgung wichtig ist, scheint Hubert Aiwanger nicht davon abzuhalten, Belastungen durch neue Trassenverläufe vor allem dem Thüringer Nachbarn zuzumuten, wie jetzt für das Heldburger Unterland vorgesehen. Regelrecht auf die Palme bringt Ramelow dabei, dass die mögliche Kapazität der jetzt bereits vorhandenen Trasse im Schwarzatal noch nicht einmal vollständig für Stromdurchleitung genutzt wird. Schnell war wieder vom „Aiwangerbogen“ die Rede.
Anschließend konnten sich die Wanderer im Haus „Oberland“ stärken. Bei einer von der Landtagsabgeordneten Linda Stark moderierten Gesprächsrunde ließen Ramelow und Weltzien durchblicken, dass sie sich insbesondere um Themen wie Kindergrundsicherung und die Vertretung von ostdeutschen Interessen kümmern würden, sollte der Einzug in den Bundestag gelingen.
Das die Zeichen dafür deutlich günstiger stehen als noch vor vier Wochen, zeigt der anhaltende Zustrom an Neumitgliedern. Sprach Ramelow am Samstagnachmittag noch von 78 000 Mitgliedern, darunter 18 000, welche allein im neuen Jahr in die Partei eintraten, erhöhte sich die Zahl der Gesamtmitglieder noch am gleichen Wochenende auf inzwischen deutlich über 80 000. Auch in Masserberg waren viele junge Gesichter zu sehen.
Fotos: Mathias Günther