AfD: Fischen am rechten Rand

Tausende militante Nazis konnten kürzlich vor Themar Kriegsverbrecher Rudolf Heß huldigen, ihre Gewaltphantasien ausleben, auf T- Shirts Hitler lieben und den „Sturm auf Themar“ androhen. Zu den im Umfeld beider Nazikonzerte durch die Polizei festgestellten Straftaten gehörten unter anderem Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, unerlaubte Waffenführung und Urkundenfälschung. Beobachter stellten zudem den Beschuss von Shetlandponys (!) und vielfache Sachbeschädigungen fest. 1000 Polizisten waren am 15. Juli notwendig, um sicherzustellen, dass es nicht zu noch mehr Straftaten kam. Dies alles und das massenhafte Zeigen des Hitlergrußes ist in AfD- Lesart lediglich „freie Meinungsäußerung“. Eine bemerkenswerte Kulanz für Rechtsverstöße bei der ansonsten gern als markige Law and order- Truppe auftretende Partei. Aber wenn der oberste Geschichtsverdreher dieses deutschnationalen Sammelbeckens schon so gern darüber fabuliert, das in den finstersten Zeiten Deutschlands doch nicht alles schlecht war, will man beim schamlosen Fischen am ganz rechten Rand offenbar auch hierzulande nicht zurückstehen. Was macht da schon das bisschen Abfeiern von Massenmord und Weltkrieg samt deutscher Teilung und Trümmerwüste? Was macht da schon, dass die Stadt Themar jetzt mit entsetzten Kommentaren sowie wirtschaftlichen Nachteilen konfrontiert wird?

Neu ist dieser rechte Schulterschluss nicht. Immer wieder suchen AfD- Kader die Nähe rechtsextremer Strukturen, ob bei Pegida, Thügida, deren Ablegern oder „Identitärer Bewegung“. Wird dies öffentlich, folgt routiniert der obligatorische Verweis auf „bedauerlichen Einzelfälle“. Der Grundstückseigentümer Dressel hatte aber ganz bewusst zu genau dieser nach rechts weithin offenen Höcke- AfD gefunden. Reine sachpolitische Unzufriedenheit mit der vorherigen politischen Heimat CDU hätte er sicherlich auch (wo)anders artikulieren können.

Das OVG hat das als Versammlung getarnte Rechtsrockkonzert vom 15.7. keineswegs genehmigt. Das ist überhaupt nicht seine Aufgabe. Es hatte lediglich die Beschwerde des Landkreises gegen den Missbrauch des Versammlungsrechts nicht als überzeugend begründet angesehen. Juristische Grundkenntnisse dieser Art besitzt im rechtsstaatsfernen Afd- Mikrokosmos ein für den Bundestag Kandidierender offenbar nicht.

Unter den aus AfD- Sicht harmlos ihre freie Meinung äußernden „Konzertbesuchern“ vor Themar gehörten neben diversen wegen Gewalttätigkeit vorbestraften Deutschen unter anderem Angehörige des ukrainischen Asow- Bataillons und der russische Neonazi Nikitin. Dieser bildet russische Neonazis im Nahkampf aus. Beide Gruppen stehen sich im blutigen Bürgerkrieg in der Ostukraine gegenüber. Dass dieser Konflikt gerade den Frieden in Europa und die diplomatischen Beziehungen massiv belastet, muss Wahlkämpfer Ludwig natürlich nicht kümmern. Wo so ungeniert um braunes Brüllpotential gebuhlt wird, verwundert natürlich auch die beliebte Mär von der vermeintlichen „Gefahr von links“ nicht. Zur Relativierung von Südthüringer Naziumtrieben muss dann Hamburg herhalten. Inzwischen ist durch Bekenntnisse von Neonazigruppen und durch Ermittlungsergebnisse zwar erwiesen, das dortige G20- Straftaten nicht vorwiegend von so genannten „Linken“ , sondern mehrheitlich von autonomen Nazis, rechten HoGeSa- Hooligans, Gewalttouristen und banalen Gelegenheitsplünderern begangen wurden. Das passt natürlich genauso wenig in den Ludwigschen Tunnelblick wie die Tatsache, dass die Linkspartei in der Folge keineswegs eine Verschärfung des Versammlungsrechts gefordert hat. Lediglich hat Ministerpräsident Ramelow eine saubere Trennung zwischen steuerlich begünstigten Versammlungen und kommerziellen Veranstaltungen gefordert. Damit macht er nichts anderes als seinen Job, denn er hat eine energisch vorgetragene Forderung engagierter demokratischer Bürgerinnen und Bürger aufgegriffen, welche sich nicht mit den neonazistischen Umtrieben im „Rechtsrockland Nr. 1“ abfinden wollen. Steuerbehörden und Steuerexperten geben ihm Recht. Unabhängig von dieser steuerrechtlichen Klärung dürfte übrigens auch weiterhin jeder ewig Gestrige seine menschenverachtende, verhängnisvolle Hetze öffentlich als „Meinung“ äußern. Nur mit dem Geldmachen sähe es dann nicht mehr so blendend aus. Zu Recht bemängeln viele Menschen, dass unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts mit absolut kommerziell aufgezogenen Veranstaltungen wie in Themar (samt Kartenvorverkauf, Hardticket- Versand, Bewerbung, Abendkasse, Preisen zwischen 30 und 35 Euro pro Karte, Standgebühren für Versorger, etlichen Merchandisingumsätzen) hohe Einnahmen erzielt werden können. Zugleich können dabei entstehende Kosten (u.a. für Verkehrssicherung, Verwaltungsakt, Polizeieinsatz, Sachbeschädigungen wie bei den genutzten Flächen, Einsatz von Rettungskräften) auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Die traumhaften Gewinne müssen derzeit noch nicht einmal versteuert werden. Ein solches Privileg kann kein herkömmlicher Konzertveranstalter für sich in Anspruch nehmen. Das angebliche Beschneiden des Versammlungsrechts ist mithin nichts als eine weitere blaubraune Ente. In der jetzt geforderten Unterbindung steuerlichen Missbrauchs können weder Befürworter wirtschaftlicher Chancengleichheit noch Verfechter des Rechtsstaats etwas Unschickliches sehen. Die AfD hingegen wettert nicht nur gegen den Mindestlohn, sondern offenbar auch gegen marktwirtschaftliche Selbstverständlichkeiten. Sie stellt sich bewusst nicht nur gegen demokratische Interessenvertretungen wie die Gewerkschaften, sondern auch gegen Wirtschaftsvertreter. Nicht von ungefähr hatten IHK, Handwerkskammer und weitere Verbände im Vorfeld ihre Ablehnung dieser Naziaufmärsche öffentlich gemacht und dies unter anderem mit Nachteilen für die Region begründet.

Höchste Zeit also, den in Themar sowohl gegen Nazikonzerte als auch gegen Geschichtsvergessenheit Engagierten beizustehen. Gründe finden anständige und aufrechte Mitglieder der demokratischen Gesellschaft leider zuhauf. Denn zu sehr erinnert die braune Aggressivität wie auch das Relativieren dieser Gefahr aus dem nationalistischen Lager an die verheerendste Phase deutscher Geschichte.

Die Afd eine „Alternative“? Wohl eher doch nur unverbesserliche, alte Naive, die gesellschaftlichen Unfrieden schüren.

Mathias Günther
Kreisvorsitzender Die Linke.